Defekte Heizungen, Aufzugsanlagen oder Putzrisse – die Liste möglicher Baumängel in Wohnungseigentumsanlagen ist lang und die Geltendmachung diesbezüglicher Rechte gegenüber Bauträgern oft schwierig. Handelt es sich um Mängel am Gemeinschaftseigentum, besteht die Möglichkeit die sich aus den Bauträgerverträgen ergebenden Gewährleistungsrechte der einzelnen Wohnungseigentümer im Wege eines Vergemeinschaftungsbeschlusses durch die Eigentümergemeinschaft geltend machen zu lassen. Doch welche Vorteile und rechtlichen Auswirkungen die Vergemeinschaftung hat, ist oft unklar. Viele Wohnungseigentümer stehen deshalb vor der Frage: Mängelrechte vergemeinschaften oder nicht? Nachfolgend finden Sie Antworten zu Fragen, die sich Wohnungseigentümer häufig im Rahmen dieser Entscheidungsfindung stellen.
FAQ 1 – Welche Vorteile hat eine Vergemeinschaftung für mich als Eigentümer?
Höhere Effizienz – Der Vorteil ist in erster Linie, dass eine einheitliche und strukturierte Anstrengung der Eigentümergemeinschaft gegenüber dem Bauträger in der Praxis regelmäßig mehr Wirkung zeigt als einzelne, sich möglicherweise überschneidende Mängelbeseitigungsaufforderungen der Eigentümer. Letztere umfassen oft auch nicht alle am Gemeinschaftseigentum tatsächlich vorhandenen Mängel, sondern nur solche, von denen der Einzelne selbst betroffen ist.
Geringere Kostenlast – Es handelt sich bei Rechtsstreitigkeiten wegen Gewährleistungsrechten am Gemeinschaftseigentum meist um Streitwerte in höherer Größenordnung. Der vom Kläger zu zahlende Gerichtskostenvorschuss, der sich nach dem Streitwert bemisst, würde daher für einen einzelnen klagenden Eigentümer eine hohe finanzielle Belastung darstellen. Bei einer Vergemeinschaftung werden die für die Durchsetzung der Mängelansprüche erforderlichen Kosten (Gerichts-, Anwalts-, Sachverständigenkosten) dagegen von den Miteigentümern gemeinschaftlich getragen. Dies führt für den Einzelnen zu einer geringeren Kostenlast.
Längstmögliche Verjährungsfrist – Zudem gilt der Vorteil, dass der Bauträger für die Mängel am Gemeinschaftseigentum so lange haftet, wie auch nur ein Eigentümer noch durchsetzbare Gewährleistungsansprüche hat. Hiervon profitieren Eigentümer dessen Gewährleistungsansprüche bereits verjährt sind.
FAQ 2 – Darf ich nach Vergemeinschaftung als Wohnungseigentümer selbst noch gegen den Bauträger klagen?
Sollten Mängel innerhalb des Sondereigentumsbereichs auftauchen, können Sie diese als Eigentümer selbständig gegenüber dem Bauträger geltend machen. Die Vergemeinschaftung der Rechte bezüglich Gemeinschaftseigentums hat keinen Einfluss darauf, dass die Rechte wegen Mängeln am Sondereigentum durch den jeweiligen Eigentümer selbst geltend gemacht werden können.
Treten jedoch weitere Mängel im Bereich des Gemeinschaftseigentums auf, können die hierauf bezogenen Rechte aufgrund des Vergemeinschaftungsbeschlusses nur noch durch die Eigentümergemeinschaft ausgeübt werden. Es ist also zwischen Mängeln am Sondereigentum und solchen am Gemeinschaftseigentum zu differenzieren. Vorsicht ist dahingehend geboten, die Einordnung des betreffenden Mangels zu Sonder- oder Gemeinschaftseigentum richtig vorzunehmen. Hiervon hängt letztlich ab, wem die Prozessführungsbefugnis zusteht.
FAQ 3 – Muss ich zuerst die Abnahme erklären, um meine Mängelrechte vergemeinschaften zu können?
Zwar beginnt die Gewährleistungsphase in der Regel erst nach der Abnahme. Gewährleistungsrechte können in bestimmten Fällen aber auch vor Abnahme bestehen und vergemeinschaftet werden. So, wenn die Abnahme vom Eigentümer wegen vorhandener Mängel zu Recht verweigert wird und dem Bauträger eine erfolglose Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt wurde (OLG Celle, Urt. v. 11.05.2016 – 7 U 164/15). Die Zustimmung zur Vergemeinschaftung ersetzt die rechtsgeschäftliche Abnahme nicht. Im Verhältnis zwischen Bauträger und dem betreffenden Wohnungseigentümer verbleit es dabei, dass die Abnahme als verweigert gilt.
FAQ 4 – Ist die Vergemeinschaftung nach der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) überhaupt noch möglich?
Der § 10 Abs. 6 WEG a.F., der früher als rechtliche Grundlage für die Vergemeinschaftung angesehen wurde, ist mit der Novellierung des WEG am 01.12.2020 gestrichen worden. Dafür heißt es nun in § 9a Abs. 2 WEG, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer ausübt, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Nach unserer Auffassung ist eine Vergemeinschaftung dennoch möglich, da es in der Gesetzesbegründung zum neuen WEG ausdrücklich heißt, die Möglichkeit der Vergemeinschaftung bestimmter Mängelrechte aus Bauträgerverträgen bleibe von der Gesetzesänderung unberührt (BT-Drs. 19/18791, 47). Der Beschluss der Vergemeinschaftung ist auch sinnvoll. Zum einen, weil gegenüber dem Bauträger und dem Gericht der mehrheitliche Wille der Eigentümer zur einheitlichen Anstrengung bewiesen werden kann. Zum anderen, weil der Beschluss Grundlage für die gemeinsame Kostentragungspflicht ist.
FAQ 5 – Wie funktioniert die Vergemeinschaftung?
Eigentümerversammlung – Um Gewährleistungsrechte bezüglich des Gemeinschaftseigentums zu vergemeinschaften, ist zunächst eine Eigentümerversammlung einzuberufen.
Mehrheitsbeschluss – In der Eigentümerversammlung ist ein mehrheitlicher Beschluss zu fassen, mit dem der Gemeinschaft die Ausübungsbefugnis für die Gewährleistungsrechte der Eigentümer bezüglich des Gemeinschaftseigentums (Mängelbeseitigungs-, Kostenvorschuss- und/oder Aufwendungsersatzanspruch) übertragen wird. Gleichzeitig ist die Gemeinschaft zur gerichtlichen sowie außergerichtlichen Geltendmachung dieser Rechte zu ermächtigen.
Sachverständigengutachten – In der Beschlussfassung sollte gleichzeitig die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zum Gemeinschaftseigentum erfolgen. Dies ist sinnvoll, weil bisher noch nicht bekannte Mängel vom Sachverständigen erkannt und folglich mit geltend gemacht werden können. Dies beugt dem Fall vor, dass Mängel sonst erst nach Ablauf des Gewährleistungszeitraums von den Wohnungseigentümern als bautechnische Laien erkannt würden. Der Bauträger wäre dann wegen Verjährungseintritt grundsätzlich nicht mehr zur Mängelbeseitigung verpflichtet.
Zudem müssen dem Bauträger die zu beseitigenden Mängel(symptome) vor Klageerhebung so konkret benannt werden, dass er in die Lage versetzt wird, diese aufzusuchen und beseitigen zu können. Werden Mängel hingegen nur oberflächlich beschrieben, entfaltet die Mängelbeseitigungsaufforderung keine rechtlichen Wirkungen, was letztlich zum Misserfolg der Klage führen kann. Letztlich sind die Mängel am Gemeinschaftseigentum auch in der Klage für den Richter nachvollziehbar darzustellen. Es ist hinreichend bestimmt darzustellen, warum die baulichen Ausführungen mangelhaft sind und wie diese Mängel zu beseitigen sind. Andernfalls wird die Klage mangels substantiiertem Vortrag wegen Unzulässigkeit abgewiesen, bevor es überhaupt zu einem Prozess kommt. Dies zu verhindern, wird ohne ein sachverständiges Gutachten nur schwerlich möglich sein.
Anwaltsbeistand – In der Eigentümerversammlung sollte auch ein Beschluss zur Beauftragung eines Rechtsanwalts gefasst werden. Die Beauftragung eines Anwalts ist meist zwingend, da Klagen wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum in der Regel einen Streitwert von mehr als EUR 5.000,00 zum Gegenstand haben und somit nach §§ 23 Nr. 1, 71 GVG grundsätzlich die Landgerichte zuständig sind, vor denen Anwaltszwang herrscht (§ 78 Abs. 1 ZPO).
Fazit Dieser Beitrag soll als Entscheidungshilfe im Rahmen der Vergemeinschaftungsthematik dienen. Gerne können wir Sie zu speziellen Fragen und Themen individuell beraten. Bauträgerverträge können von den Parteien inhaltlich sehr individuell ausgestaltet werden, sodass die Rechtslage sich je nach Einzelfall unterschiedlich darstellen kann. Ob die in diesem Beitrag dargestellten Grundsätze auch auf Ihren Fall anwendbar sind, lässt sich nach eingehender Prüfung der Umstände des Einzelfalls und der mit dem Bauträger vereinbarten vertraglichen Regelungen beantworten.