Änderungen im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS CoV 2

In den letzten Wochen haben sich durch die weltweite Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 („Corona-Pandemie“) in rechtlicher Hinsicht zahlreiche Änderungen ergeben, welche wir in den letzten Wochen im Rahmen unserer Updates alle aufgeführt haben. Dieser Artikel befasst sich mit insolvenz– und gesellschaftsrechtlichen Themen.

Am 27.03.2020 wurde das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht im Bundesgesetzblatt verkündet (COVInsAG, BGBl I 2020, 569 ff.). Dieses beinhaltet wesentliche Änderungen im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht.

Wir bitten die Leser dieses KNAUTHE Aktuell allerdings zu berücksichtigen, dass dieser Artikel nur als ein erster Überblick dienen kann. Da jeder Einzelfall Besonderheiten aufweist, können die nachfolgenden Ausführungen eine Beratung für den Einzelfall nicht ersetzen.

1. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Nach § 15a InsO haben Geschäftsführer haftungsbeschränkter Gesellschaften, das sind solche Gesellschaften, die keine natürliche Person als Vollhafter haben, bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Wochen den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu stellen. Die Verletzung dieser Verpflichtung ist einerseits mit Strafe bedroht und kann andererseits zu persönlicher Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft für solche Schäden führen, die diese durch die verspätete oder unterlassene Insolvenzantragstellung erleiden.

Nach Art. 1 § 1 des neuen Gesetzes COVInsAG ist diese Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) nicht auf den Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War die Gesellschaft am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Dem Geschäftsführer, der von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Gebrauch machen möchte, also den Insolvenzantrag nicht stellen möchte, ist somit zu raten, zu dokumentieren, dass die Gesellschaft per 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, d.h. in der Lage war, alle fälligen Verbindlichkeiten aus vorhandenen liquiden Mitteln zu bezahlen. Außerdem ist dem Geschäftsführer zu raten, eine Liquiditätsprognose zu erstellen, nach welcher eine evtl. nunmehr eintretende Zahlungsunfähigkeit nach Beendigung der Corona-Krise wieder beseitigt werden kann.

2. Haftungsentlastung bei den sog. verbotenen Zahlungen

Nach den jeweiligen Regelungen im GmbHG, AktG oder HGB haben Geschäftsführer von haftungsbeschränkten Gesellschaften in einem späteren Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft solche Zahlungen persönlich zu ersetzen, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an Dritte noch geleistet haben, es sei denn, dass diese Zahlungen mit der Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar waren.

Diese in der Praxis ganz erhebliche Haftungsgefahr für die Geschäftsführer ist durch Art. 1 § 2 Abs. 1 des COVInsAG dadurch wesentlich verringert worden, dass Zahlungen, die der Geschäftsführer im Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (s.o. 1.) leistet und die dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang der Gesellschaft entsprechen, insbesondere Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters i.S.d. jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Regelungen gelten. Das bedeutet, dass der Geschäftsführer solche Zahlungen in einem späteren Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nicht persönlich zu erstatten hat.

3. Entlastungen bei der Insolvenzanfechtung

In einem Insolvenzverfahren hat der Insolvenzverwalter nach der InsO umfangreiche Möglichkeiten, Geschäftsvorfälle aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber den Geschäftspartnern/Gläubigern mit der Folge anzufechten, dass die Geschäftspartner/Gläubiger die empfangenen Leistungen in die Insolvenzmasse zurückzuerstatten haben.

Nach Art. 1 § 1 Abs. 2 COVInsAG gilt die bis zum 30.09.2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum (s.o. 1.) gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite als nicht gläubigerbenachteiligend mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter in einem späteren Insolvenzverfahren diese Rechtshandlungen gegenüber den Geschäftspartnern/Gläubigern nicht anfechten kann.

Nach der vorgenannten Vorschrift gilt dies auch für die Rückzahlung von – im Aussetzungszeitraum neu gewährten – Gesellschafterdarlehen.

In Abänderung der bisherigen Gesetzeslage sind nach Art. 1 § 1 Abs. 4 COVInsAG Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine kongruente Sicherheit oder Befriedigung gewährt haben, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Kongruente Leistungen sind solche, auf die der Gläubiger zu der Zeit, in der Art und in der Höhe einen konkreten Anspruch hatte.

Durch die vorgenannte neue Regelung wurde ebenfalls in Abänderung der bisherigen Gesetzeslage dieser Ausschluss der Insolvenzanfechtung auch auf einige inkongruente Deckungshandlungen erweitert, nämlich auf Leistungen an erfüllungsstatt oder erfüllungshalber, Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist, die Verkürzung von Zahlungszielen und die Gewährung von Zahlungserleichterungen. Auch solche im Aussetzungszeitraum (s.o. 1.) gewährten inkongruenten Deckungshandlungen, die bisher unter erleichterten Voraussetzungen für den Insolvenzverwalter anfechtbar waren, sind nunmehr also der Insolvenzanfechtung entzogen.

4. Einschränkung der Gläubigerinsolvenzanträge

Nach Art. 1 § 3 COVInsAG setzen Gläubiger Insolvenzanträge, die zwischen dem 28.03. und 28.06.2020 gestellt werden, voraus, dass der Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit und bei haftungsbeschränkten Gesellschaften zusätzlich Überschuldung) bereits am 01.03.2020 vorlag.

5. Verlängerungsmöglichkeit

Nach Art. 1 § 4 COVInsAG hat das BMJV die Möglichkeit, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 und die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen nach § 3 höchstens bis zum 31.03.2021 zu verlängern.

6. Vereinfachung bei der Durchführung von Gesellschafterversammlungen

Nach Art. 2 § 2 COVInsAG können abweichend von der bisherigen Gesetzeslage in § 48 Abs. 2 GmbHG Beschlüsse der Gesellschafter einer GmbH nunmehr auch in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden. Nach Art. 2 § 7 Abs. 2 COVInsAG ist diese Regelung nur auf Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse anzuwenden, die im Jahr 2020 stattfinden. Soll von dieser Art der Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung Gebrauch gemacht werden, muss genau darauf geachtet werden, dass dies durch den konkreten Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.

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Dr. Joachim Bauer Rechtsanwalt bauer@knauthe.com
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