Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung im Mietverhältnis aufgrund rapide steigender Energiekosten

Eine Übersicht zu aktuellen Herausforderungen im Mietverhältnis im Lichte steigender Energiekosten unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (insbesondere Urteil vom 28.09.2011 – VIII ZR 294/10)

I. Hintergrund

Die Preise für Erdgas und Erdöl sind im Zuge des Urkraine-Krieges rapide angestiegen. Im Mietverhältnis schlägt sich diese Preisentwicklung vor allem auf die Heizkosten und die Kosten für die Versorgung mit Warmwasser nieder.

Experten rechnen damit, dass sich die Lage in den kommenden Monaten deutlich verschärfen wird und sagen einen noch viel größeren Preissprung voraus.

Es ist absehbar, dass aktuell vereinbarte Betriebskostenvorauszahlungen nicht mehr auskömmlich sein werden, um die Kosten der Energieversorgung im laufenden Wirtschaftsjahr zu decken. Der Regelfall ist, dass der Vermieter die Kosten vorfinanziert und er die tatsächlich angefallenen Kosten erst nach Abrechnung der Betriebskosten, abzüglich der Vorauszahlungen, vom Mieter einfordern kann.

Insbesondere, wenn das vermietete Objekt finanziert ist und keine ausreichenden Rücklagen bestehen, kann eine Unterdeckung bei den Betriebskostenvorauszahlungen empfindliche finanzielle Folgen für den Vermieter haben und unter Umständen auch auf das Kreditverhältnis durchschlagen. Die Betriebskostenabrechnung, die einen Nachzahlungsanspruch begründet, wird in aller Regel zu spät kommen.

Es stellt sich daher die Frage, ob der Vermieter aufgrund der rapide steigenden Energiekosten die Betriebskostenvorauszahlung anpassen kann.

Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick geben über die Handlungsoptionen der Parteien des Mietvertrages im Umgang mit rapide steigenden Energiekosten.

II. Anpassungsmöglichkeiten bei Wohnraum und Gewerbe

1. Wohnraummietverhältnis

Im Wohnraummietverhältnis ist die Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung in § 560 Abs. 4 BGB gesetzlich geregelt.

Hiernach kann jede Vertragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung auf eine angemessene Höhe vornehmen, wenn im Mietvertrag Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart sind. Dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten (§ 560 Abs. 5 BGB).

Vorliegen einer ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung

Das Anpassungsverlangen setzt also eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung voraus. Liegt noch keine Betriebskostenabrechnung vor – etwa weil das Mietverhältnis erst kürzlich begründet worden ist – scheidet eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung aus.

Prognose unzutreffender Vorauszahlungen

Die Höhe der Anpassung ist jedoch nicht beliebig; sie muss vielmehr auch „angemessen“ sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist die letzte Betriebskostenabrechnung Grundlage für eine Anpassung der Vorauszahlungen. Auf dieser Grundlage ist eine Prognose zu treffen, dass die Vorauszahlungen unzutreffend sein werden. Die Anpassung der Vorauszahlungen an die jeweils letzte Betriebskostenabrechnung stellt sicher, dass die Vorauszahlungen – im Interesse beider Vertragsparteien – den voraussichtlich tatsächlich entstehenden Kosten möglichst nahe kommen. Allein aus der letzten Betriebskostenabrechnung wird sich in der Regel kein hinreichend konkreter Anpassungsbedarf ergeben, der den aktuellen Preisentwicklungen bei den Energiepreisen ausreichend Rechnung trägt.

Der BGH hat jedoch klargestellt, dass auch eine Erhöhung der Vorauszahlungen über den Betrag hinaus, der sich aus dem Abrechnungsergebnis der letzten Betriebskostenabrechnung errechnen lässt, angemessen sein kann. Dies kann ausdrücklich auch mit steigenden Energiekosten begründet werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Erhöhung der energieabhängigen Betriebskosten entweder auf die Vorauszahlung für diese Betriebskosten beschränkt oder aber nur anteilig in die Berechnung der Vorauszahlungen für die Betriebskosten insgesamt einbezogen wird. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung nur dann zulässig, wenn hinsichtlich bestimmter Betriebskosten (z.B. Energiekosten) Preissteigerungen konkret zu erwarten sind und die Erhöhung das Verhältnis der betreffenden Betriebskosten zu den Betriebskosten insgesamt berücksichtigt.

Kein abstrakter Sicherheitszuschlag

Daraus folgt nach Ansicht des BGH, dass hingegen ein bloß abstrakter Sicherheitszuschlag von pauschal 10 % auf die gesamte Betriebskostenvorauszahlung unzulässig ist und daher nicht verlangt werden kann.

Anpassungsverlangen in Textform

Das Anpassungsverlangen kann einseitig von Vermieter oder Mieter erfolgen und bedarf in formeller Hinsicht der Textform. Sofern kein Stichtag für den Erhöhungszeitpunkt bestimmt ist, gilt im Zweifel der nächstmögliche Zeitpunkt für die Erhöhung.

Eine besondere Begründung des Anpassungsverlangens ist rechtlich zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung, jedoch dringend ratsam, um das Anpassungsverlangen mit dem konkreten Erhöhungsbetrag nachvollziehbar zu machen.

2. Gewerberaummietverhältnis

Im Gewerberaummietverhältnis gilt § 560 BGB jedoch nicht, da es sich um eine Vorschrift des besonderen Wohnraummietrechts handelt. Das BGB enthält für Betriebskosten keine gesetzliche Regelung. Daher ist dieser Themenkomplex in Gewerberaummietverträgen in der Regel umfassend geregelt. Die marktüblichen Vertragsklauseln orientieren sich im Wesentlichen jedoch an den gesetzlichen Regelungen zu Wohnraummietverhältnissen, sodass insoweit auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann. Eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung ist nur möglich, wenn dies im Gewerberaummietvertrag ausdrücklich vorgesehen ist.

Daneben dürfte auch ein Anpassungsverlangen aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB möglich sein. Ein solcher Fall ist zwar von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden, es sprechen aus unserer Sicht jedoch gute Gründe dafür, dass eine massive Preissteigerung von Energiepreisen aufgrund eines Krieges einen gesetzlichen Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB auslöst.

Wegen der gesetzlichen Schriftform des § 550 BGB sollte eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung in einem schriftformkonformen Nachtrag zum Mietvertrag erfolgen, insbesondere dann, wenn die Anpassung nicht aufgrund der letzten Abrechnung erfolgen soll

III. Fazit und Einzelfragen

Nach der Rechtsprechung können also konkret zu erwartende Preissteigerungen bei Energiepreisen eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung für die Zukunft rechtfertigen. Die Anpassung muss jedoch angemessen sein und darf sich nicht pauschal auf die Betriebskosten insgesamt beziehen. Wir empfehlen daher, von einem Anpassungsrecht Gebrauch zu machen.

Es empfiehlt sich, die andere Vertragspartei frühzeitig vor Beginn der nächsten Heizperiode über die Absicht einer Anpassung der Vorauszahlung zu informieren und sich über die Höhe abzustimmen. Wir empfehlen, die Anpassungsabsicht konkret (und nicht bloß pauschal) zu begründen, um Verständnis, Transparenz und eine höhere Akzeptanz beim Vertragspartner zu schaffen.

Besteht zwischen den Mietvertragsparteien Streit, ob ein Anpassungsverlangen der Betriebskostenvorauszahlung wirksam ist, sind die Handlungsmöglichkeiten der anpassungswilligen Partei relativ begrenzt.

Zahlungsklage betreffend des Erhöhungsbetrages zweckmäßig?

Eine Zahlungsklage des Vermieters, mit der der Erhöhungsbetrag eingeklagt wird, ist möglich; ein Urteil dürfte jedoch bei den durchschnittlichen Berarbeitungszeiten der Gerichte regelmäßig zu spät kommen, wenn es um den Ausgleich einer akuten Unterdeckung geht.

Besteht ein Recht des Vermieters zur Einstellung der Energieversorgung?

Dem Vermieter steht kein Recht zu, die Energieversorgung einseitig einzustellen, wenn der Mieter dem Anpassungsverlangen widerspricht. Eine willkürliche Einschränkung der Energieversorung der Mietsache stellt eine Störung des Besitzes des Mieters dar und kann zur Folge haben, dass der Mieter mit hohen Erfolgschancen eine einstweilige Verfügung gegen den Vermieter erwirkt, um die Versorgung sofort wiederherzustellen. Wir raten Vermietern daher von einem solchen Vorgehen dringend ab.

Kann die Mietsicherheit in Anspruch genommen werden?

Der Vermieter kann die vom Mieter geleistete Mietsicherheit im laufenden Mietverhältnis nicht verwerten, um eine etwaige Unterdeckung oder nicht gezahlte Erhöhungsbeträge auszugleichen. Denn die Verwertung einer Mietsicherheit im laufenden Mietverhältnis ist nach der Rechtsprechung unzulässig, wenn die Forderung des Vermieters streitig ist.

Eine Erhöhung der Mietsicherheit scheidet im Wohnraummietverhältnis aus, da Grundlage die Nettokaltmiete ist, die ja unverändert bleibt. In Gewerberaummietverhältnissen wäre eine Erhöhung der Mietsicherheit einvernehmlich durch Abschluss eines schriftformkonformen Nachtrages möglich.

Neuvermietung

Bei einer Neuvermietung raten wir dazu, in der Vertragsklausel zu den Betriebskosten einen entsprechenden Passus zur Anpassungsmöglichkeit der Vorauszahlung vorzusehen. Bei Wohnraummietverträgen ist dies wegen der gesetzlichen Regelung in § 560 Abs. 4 BGB nicht erforderlich. Weil von dieser Regelung zum Nachteil des Mieters auch nicht abgewichen werden kann (§ 560 Abs. 6 BGB), wäre dies im Wohnraummietrecht ohnehin nicht zweckmäßig.

Anders jedoch im Gewerberaummietrecht. Hier sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass eine entsprechende Anpassungsmöglichkeit (nach oben und nach unten) vertraglich vorgesehen ist. Hier können auch die Anpassungsmechanismen flexibel gestaltet werden, solange der Mieter nicht unangemessen benachteiligt wird. Es bietet sich aus Vermietersicht zudem an, eine höhere Mietsicherheit zu verlangen.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung eines Erhöhungsverlangens im laufenden Mietverhältnis oder entwerfen Ihnen für den Neuabschluss eine maßgeschneiderte Klausel, die die aktuellen Risiken rapide steigender Energiekosten berücksichtigt.

Im Übrigen sollten die Parteien darauf achten, dass sie über genügend Rücklagen verfügen, um Preiserhöhungen ausgleichen zu können. Die eingangs zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist im Volltext hier kostenlos abrufbar.

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Christian Pietsch, LL.M. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht pietsch@knauthe.com
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