Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Gesellschaftsrecht sowie auf das Umwandlungsrecht

Durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 sowie die zahlreichen Gesetze und Verordnungen auf Landesebene ergeben sich auch für das Gesellschaftsrecht zahlreiche Neuerungen, wobei in diesem Beitrag der Schwerpunkt auf den Änderungen für Aktiengesellschaften und GmbHs liegt. Die gesellschaftsrechtlichen Regelungen sind dabei im Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins‑, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zusammengefasst (GesRuaCOVBekG).

Die Regelungen betreffen vor allem die Abhaltung von Hauptversammlungen und Gesellschafterversammlungen und sonstige Präsenzversammlungen, die derzeit aufgrund der bestehenden Versammlungsverbote nicht durchgeführt werden können. Nach § 1 Abs. 1 der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverord­nung (SARS-CoV-2-EindmaßnV) des Landes Berlin sind alle öffentlichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen, Versammlungen, Zusammenkünfte und Ansammlungen untersagt. Ähnliche Regelungen gelten auch in allen anderen Bundesländern.

Um die Auswirkungen der Versammlungsverbote auf die Beschlussfähigkeit der Gesellschaften zu minimieren, hat der Gesetzgeber deshalb für die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Europäische Gesellschaft (SE) sowie für Genossenschaften, Vereine und Stiftungen besondere Ausnahmeregelungen geschaffen. Diese Regelungen sind dabei befristet für Versammlungen, die im Jahr 2020 stattfinden sollen.

1.         Änderungen für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäische Gesellschaften (SE)

1.1       Termin für die Hauptversammlung

Angesichts der derzeit bestehenden Versammlungsverbote ist die Regelung des § 1 Abs 5 GesRuaCOVBekG für viele Gesellschaften von besonderer Wichtigkeit. § 175 Abs. 1 S. 2 AktG sieht vor, dass die Hauptversammlung in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden hat.

Durch die Regelung des § 1 Abs. 5 GesRuaCOVBekG können Aktiengesellschaften nunmehr hiervon abweichen, sodass die Hauptversammlungen bis zum Ende des Geschäftsjahres stattfinden können. Diese Erleichterung gilt ausdrücklich nicht für die Europäische Gesellschaft (SE).

Ein Zwangsgeldverfahren gemäß § 407 Abs. 1 AktG ist laut Gesetzesbegründung insofern ausgeschlossen. Auch eine Schadensersatzhaftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 AktG soll nach der Gesetzesbegründung im Falle einer Verschiebung aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie innerhalb des Geschäftsjahres ausgeschlossen sein.

1.2      Virtuelle Hauptversammlung

Für Hauptversammlungen gilt nach § 121 AktG i.V.m. § 118 AktG grundsätzlich, dass die Aktionäre in persönlicher Präsenz ihre Rechte ausüben.

Eine virtuelle Hauptversammlung kann nach den bisherigen Regelungen nur dann stattfinden, wenn die Satzung dies ausdrücklich vorsieht. Eine entsprechende Öffnungsklausel findet sich in § 118 Abs. 2 AktG, wonach die Stimmabgabe im Wege der Briefwahl möglich ist und auch Mitglieder des Aufsichtsrates bei Ausnahmeregelungen in der Satzung im Wege der Bild- und Tonübertragung teilnehmen können.

Das neue Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sieht hiervon nun eine Abweichung dahingehend vor, dass der Vorstand auch ohne Ermächtigung durch die Satzung – mit Zustimmung des Aufsichtsrates – entscheiden kann, dass die Stimmabgabe und die Teilnahme virtuell möglich sind.

Dabei stellt § 1 Abs. 2 GesRuaCOVBekG jedoch besondere Anforderungen an die virtuelle Hauptversammlung. Eine virtuelle Hauptversammlung kann nur dann stattfinden, wenn folgende Mindestanforderungen erfüllt sind:

•    Bild- und Tonübertragung erfolgt während der gesamten Versammlung.

•    Die Stimmrechtsausübung der Aktionäre ist über elektronische Kommunikation mittels Briefwahl, elektronische Teilnahme oder durch Vollmachtserteilung möglich.

•    Den Aktionären wird eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt.

•    Die Aktionäre können ohne Erscheinen in der Hauptversammlung Widerspruch gegen einen Beschluss zur Hauptversammlung einlegen.

1.3       Verkürzung der Fristen im Vorfeld einer Hauptversammlung

Das Gesetz sieht in § 1 Abs. 3 GesRuaCOVBekG eine Verkürzung der Fristen vor einer Hauptversammlung vor, wobei auch diese Maßnahmen vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats getroffen werden können.

•    Für die Einberufung der Hauptversammlung galt bisher nach § 123 Abs. 1 AktG, dass die Einberufung mindestens 30 Tage vor der Versammlung zu erfolgen hatte. Die Einberufungsfrist kann nun auf 21 Tage verkürzt werden.

•    Die Satzung kann nach § 123 Abs. 2 AktG die Teilnahme an der Satzung oder die Ausübung des Stimmrechts von der Anmeldung des Aktionärs abhängig machen. Die Anmeldung muss dabei mindestens 6 Tage vor der Versammlung zugehen, es sei denn, die Satzung oder die Einberufung aufgrund einer Ermächtigung durch die Satzung sieht eine kürzere Frist vor.

Angepasst wird der Zeitpunkt, auf den sich bei börsennotierten Gesellschaften der Nachweis der Aktieninhaberschaft für Inhaberaktien beziehen muss. § 123 Abs. 4 S. 2 AktG sieht vor, dass sich der Nachweis auf den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung beziehen muss. Nach § 1 Abs. 3 GesRuaCOVBekG ist nunmehr auf den Beginn des 12. Tages vor der Versammlung abzustellen, wobei der Nachweis bei Inhaberaktien am 4. Tag vor der Hauptversammlung zugehen muss, soweit der Vorstand in der Einberufung keine kürzere Frist vorsieht.

•    Auch die Fristen für die Erfüllung der Informationspflichten der Gesellschaft gegenüber den Aktionären nach § 125 AktG können, falls der Vorstand die Hauptversammlung mit einer verkürzten Frist einberuft, auf 12 Tage statt bisher 14 verkürzt werden. Mitzuteilen sind insbesondere die Einberufung, die Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung durch einen Bevollmächtigten und bei börsennotierten Gesellschaften die ggf. nach § 122 AktG geänderte Tagesordnung sowie bestimmte Informationen im Zusammenhang mit Aufsichtsratswahlen. Bei den vorherrschenden Inhaberaktien sind die Aktionäre der Gesellschaft regelmäßig nicht namentlich bekannt, so dass nach § 125 Abs. 1 S. 1 AktG die Mitteilungen an die Kreditinstitute sowie die Aktionärsvereinigungen zu erfolgen haben. Bei Namensaktien hat nach § 1 Abs. 3 GesRuaCOVBekG die Mitteilung spätestens 12 Tage vor der Versammlung an die zu Beginn des 12. Tages vor der Hauptversammlung im Aktienregister Eingetragenen zu erfolgen.

•    Bei einer Verkürzung der Einberufungsfrist ist zwingend für Ergänzungsverlangen zur Tagesordnung nach § 122 Abs. 2 AktG eine Verkürzung der Frist auf 14 Tage (statt 30 bzw. 24 Tagen) vor der Versammlung vorgesehen.

Entsprechende Regelungen gelten für die Europäische Gesellschaft sowie die Kommanditgesellschaft auf Aktien, wie sich aus § 1 Abs. 8 GesRuaCOVBekG ergibt.

1.4      Zulässigkeit von Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn

Eine Zulässigkeit von Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn setzt nach der gesetzlichen Regelung des § 59 AktG eine Satzungsermächtigung voraus, wobei die Zahlung der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Der Abschlag ist dabei auf die Hälfte des Jahresüberschusses nach Abzug der Gewinnrücklagen begrenzt.

Nach § 1 Abs. 4 GesRuaCOVBekG sind Abschlagszahlungen nunmehr auch ohne Satzungsermächtigung möglich.

1.5       Zustimmungsvorbehalt

Die vorstehenden Maßnahmen kann der Vorstand nicht alleine treffen, sondern sie bedürfen stets der Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 1 Abs. 6 GesRuaCOVBekG. Die Gesetzesbegründung stellt dabei unmittelbar auf ein Missbrauchsrisiko ab.

1.6      Beschränkung des Anfechtungsrechts

Die Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung wird durch § 1 Abs. 7 GesRuaCOVBekG für Fehler im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der virtuellen Hauptversammlung sowie der Bestätigung des Zugangs von elektronischen Stimmen ab dem 03.09.2020 stark eingeschränkt – über die bestehenden Einschränkungen für technische Störungen nach § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG hinaus –, solange der Gesellschaft kein Vorsatz nachzuweisen ist.

Ziel des Gesetzgebers ist es offensichtlich, Anfechtungsrisiken für die Gesellschaft wegen der häufig erstmaligen Durchführung von virtuellen Versammlungen zu minimieren.

2.         Erleichterungen im Umwandlungsrecht

Eine weitreichende Änderung ergibt sich auch für das Umwandlungsrecht. Nach § 16 und § 17 UmwG bestehen strenge Anforderungen an die Anmeldung der Umwandlung. Nach bisherigem Recht musste insbesondere eine Schlussbilanz dem Antrag beigefügt werden, deren Stichtag nicht älter als acht Monate zurückliegen darf. Diese Frist ist nunmehr mit § 4 GesRuaCOVBekG ausnahmsweise verlängert worden, sodass es ausreichend ist, wenn die Bilanz auf einen höchstens 12 Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag erstellt worden ist.

3.         Gesellschafterversammlung der GmbH

§ 48 Abs. 1 GmbHG sieht für GmbH-Gesellschafterbeschlüsse vor, dass die Beschlüsse in Versammlungen gefasst werden. Für telefonische oder mündliche Beschlussfassung durch Einholung der Zustimmung der Gesellschafter reihum, kombinierte Abstimmungsverfahren oder elektronische Gesellschafterversammlungen gilt bislang, dass diese ohne Satzungsgrundlage nicht zulässig sind.

§ 2 GesRuaCOVBekG sieht nunmehr vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können. Einer besonderen Satzungsregelung bedarf es hierfür nunmehr nicht.

Hierbei ist allerdings zu beachten, dass für die Änderung des Gesellschaftsvertrages nach wie vor § 53 GmbHG zu beachten ist, wonach der Beschluss über die Änderung des Gesellschaftsvertrages der notariellen Beurkundung bedarf. Erleichterung bezüglich der Ladungsvorschriften des §§ 49 ff. GmbHG in Verbindung mit den in vielen Satzungen vorgesehenen Fristen sieht das Gesetz dagegen nicht vor.

4.         Sonderregelungen für Vereine

Die vereinsrelevanten Regelungen des § 5 GesRuaCOVBekG sind in erster Linie darauf ausgerichtet, dass die laufende Tätigkeit der Vereine während der Pandemie und der damit verbundenen Ausgangs- und Versammlungsbeschränkungen nicht unterbrochen wird bzw. mit möglichst geringen Beschränkungen weitergeführt werden kann.

4.1      Vorstand

Aufgrund der staatlichen und kommunalen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie kann die Abhaltung von Mietgliederversammlungen und damit eine Neubestellung der Vertretungsorgane von Vereinen erschwert sein. Damit ein Verein auch nach Ablauf der Amtszeit der Vorstandsmitglieder seine Handlungsfähigkeit behält, bleiben die Vorstandsmitglieder nach Ablauf ihrer Amtszeit im Amt, bis sie abberufen oder ihre Nachfolger bestellt werden.

4.2      Mitgliederversammlungen unter Abwesenden

Eine andere wichtige Regelung betrifft die Abhaltung von Mitgliederversammlungen und die Ausübung der Mitgliederrechte, insbesondere der Stimmrechte.

Das GEsRuaCOVBekG schafft die Grundlage, Mitgliederversammlungen ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder am Versammlungsort durchzuführen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder die Stimmen ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

Grundsätzlich muss nach § 32 Abs. 1 S. 1 BGB die persönliche Präsenz der Mitglieder in Mitgliederversammlungen gewährleistet werden. Zwar wurden Mietgliederversammlungen unter Abwesenden (in der Regel in Form einer Telefon- oder Videokonferenz) bereits vor den Neuerungen als zulässig erachtet. Diese Möglichkeit musste allerdings in der Vereinssatzung ausdrücklich vorgesehen werden. Jedenfalls mussten alle Mitglieder der rein digitalen Durchführung der Mitgliederversammlung zustimmen, wenn keine entsprechende Satzungsgrundlage vorhanden war. Nunmehr können die Mitgliederversammlungen im Wege der elektronischen Kommunikation allein auf Veranlassung der Vorstandsmitglieder durchgeführt werden, auch wenn die Vereinssatzung keine entsprechende Ermächtigung enthält bzw. keine Zustimmung aller Vereinsmitglieder vorliegt.

Das Gleiche gilt für die sogenannte Fernabstimmung. Bisher war nur die Abstimmung im schriftlichen Umlaufverfahren möglich, sofern eine entsprechende Satzungsgrundlage vorlag, die die Modalitäten regelte, oder der Beschluss einstimmig von allen Mitgliedern gefasst wurde.

Eine ausdrückliche Regelung zur Erleichterung der Einberufung von Versammlungen sieht das GesRuaCOVBekG – anders als bei Genossenschaften – nicht vor. Die satzungsmäßigen Formvorschriften für die Einberufung gelten also fort.

Schließlich ermöglicht das GesRuaCOVBekG die Beschlussfassung ohne Mitgliederversammlung, wenn bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder, jedoch nicht alle Mitglieder wie in § 32 Abs. 2 BGB vorgesehen, ihre Stimmen in Textform abgegeben haben, der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst sowie alle Mitglieder beteiligt wurden.

5.         Sonderregelungen für Genossenschaften

Ähnliche Regelungen sind für die Generalversammlungen der Genossenschaften vorgesehen. Die Beschlüsse der Mitglieder können nun auch dann schriftlich oder elektronisch gefasst werden, wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich zugelassen ist. In diesem Fall muss der Niederschrift über den Beschluss der Generalversammlung ein Verzeichnis der Mitglieder, die an der Beschlussfassung mitgewirkt haben, beigefügt werden. Im Umlaufverfahren oder als Telefon- oder Videokonferenz können ferner auch die Sitzungen des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Genossenschaft abgehalten werden.

Für Genossenschaften sieht § 46 GenG vor, dass die Einberufung nach der in der Satzung bestimmten Weise zu erfolgen hat. § 3 Abs. 2 GesRuaCOVBekG ermöglicht nun, dass bei den Genossenschaften die Einberufung durch unmittelbare Benachrichtigung in Textform oder auf der Internetseite der Genossenschaft erfolgen kann, auch wenn diese Einberufungsform in der Satzung nicht vorgesehen ist.

Ferner werden die Kompetenzen des Aufsichtsrats erweitert, der nunmehr berechtigt ist, über die Feststellung des Jahresabschlusses zu entscheiden. Analog zu den Änderungen im Vereinsrecht bleibt auch ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Genossenschaft nach Ablauf seiner Amtszeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Darüber hinaus darf die Anzahl der Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates weniger als die durch Gesetz oder Satzung bestimmte Mindestzahl betragen. Da die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in Deutschland massiv beeinträchtigen, sind in vielen Unternehmen und Organisationen kurzfristig Gremienbeschlüsse erforderlich, um die Handlungsfähigkeit und den Bestand zu sichern. Für Ihre gesellschaftsrechtlichen Vorgänge stehen wir Ihnen gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.

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Juliane Müller Rechtsanwältin und Notarin mueller@knauthe.com
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