BGH zur Rückabwicklung einer Immobilientransaktion

In einem aktuellen Grundsatzurteil nimmt der Bundesgerichtshof (BGH) Stellung zu Rückabwicklungen von Grundstückskaufverträgen bei Abweichungen des tatsächlichen Grundstücks von den Erwartungen der Käufer hinsichtlich der Größe des Grundstücks (BGH, Urteil vom 23.06. 2023 – V ZR 89/22).

I. Hintergrund

Der Erwerb von Immobilien ist ein komplexer Prozess, der auf verschiedenen Ebenen rechtliche Herausforderungen mit sich bringen kann. Insbesondere eine genaue Prüfung der Eigentumsverhältnisse sowie der räumlichen Abgrenzungen des zu erwerbenden Grundstücks spielt dabei eine wichtige Rolle. Eine aktuelle Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH hat wichtige Implikationen für Käufer und Verkäufer von Grundstücken.

Konkret ging es um zwei Käufer eines Grundstücks, die vom Kaufvertrag zurücktreten wollten. Die Käufer erwarben 2009 ein Grundstück, welches mit einem Wohnhaus bebaut war. Bei Vertragsschluss gingen die Käufer irrtümlich davon aus, dass auch ein angrenzendes, 19 m² großes Flurstück zum Grundstück gehört. Dieses Flurstück stand jedoch im Eigentum des Nachbarn. Daraufhin begehrten die Käufer die Rückabwicklung des Grundstückskaufs. Sie argumentierten, dass der Verkäufer den Eindruck erweckte, dass auch das Flurstück des Nachbarn zum Grundstück gehört, welches erworben werden soll.

II. Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat die Revision der Kläger und ein Rücktrittsrecht der Käufer abgelehnt. Die Gründe für diese Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Es gehört nicht zur Beschaffenheit eines verkauften Grundstücks, ob sich dieses auch auf das Nachbargrundstück erstreckt. Entsprechend kann auch kein Sachmangel am Grundstück vorliegen. Vielmehr beträfe die Frage, ob das angrenzende Grundstück mitverkauft werden soll, den Kaufgegenstand an sich.

Der wörtliche Sinn des notariellen Grundstückskaufvertrags ist nicht entscheidend, wenn die Vertragsparteien übereinstimmend etwas anderes meinten oder andere Vorstellungen über das Grundstück hatten. Es gilt nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das wirklich Gewollte. Der Grundsatz, dass Falschbezeichnung nicht schadet („falsa demonstration non nocet“), wenn beide Parteien sich über das eigentlich Gewollte einig sind, welcher sonst im Zivilrecht Anwendung findet, gilt auch hier. Jedoch gab es im vorliegenden Fall nach Auffassung des BGH keine Anhaltspunkte, dass die Parteien sich auf etwas anderes einigen wollten, als was der Wortlaut im notariellen Kaufvertrag wiedergab, nämlich ausschließlich nur das bebaute Grundstück ohne das Flurstück des Nachbarn.

Insbesondere gelte die „falsa demonstratio“‑Regel in diesem Fall nach Auffassung des BGH nicht, weil das angrenzende Grundstück nicht im Eigentum der Verkäufer stand.

Aus dem Umstand, dass die Kaufvertragsparteien die tatsächlichen Verhältnisse des im Eigentum des Verkäufers stehenden Grundstücks bei einer Besichtigung zur Kenntnis genommen haben, kann nicht automatisch auf eine Einigung über den Mitverkauf des nicht im Eigentum des Verkäufers stehenden Nachbargrundstücks geschlossen werden, selbst wenn diese scheinbar eine Einheit bilden.

Weckt der Verkäufer falsche Vorstellungen über den tatsächlichen Umfang seines Eigentums beim Käufer, aber klärt diesen wider besseren Wissens nicht über den wahren Grenzverlauf auf, fehlt es in der Regel an einer Einigung über den Verkauf des scheinbar zum Grundstück des Verkäufers gehörenden fremden Grundstücksteils. In solchen Fällen kann der Verkäufer zum Schadensersatz verpflichtet sein. Die Frage eines etwaigen Schadenersatzanspruchs der Käufer musste der BGH jedoch aufgrund eingetretener Verjährung nicht weiter erörtern.

III. Fazit

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Bedeutung präziser Formulierungen in Grundstückskaufverträgen und das Verständnis der Parteien über den Vertragsinhalt. Käufer und Verkäufer müssen darauf achten, dass alle Aspekte des Grundstückskaufs klar und eindeutig im Vertrag festgehalten werden. Insbesondere bei Besichtigungen sollten Fehlvorstellungen aktiv aufgeklärt und korrigiert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Die Unterscheidung zwischen einer versehentlichen Falschbezeichnung und einem bewussten Verschweigen von Informationen ist entscheidend für die Bewertung des Vertragsinhalts und mögliche Ansprüche auf Rückabwicklung oder Schadensersatz.

Insgesamt unterstreicht diese Entscheidung die Notwendigkeit, professionelle rechtliche Beratung beim Immobilienerwerb in Anspruch zu nehmen. Rechtsanwälte mit Fachkenntnissen im Immobilienrecht können sicherstellen, dass alle relevanten Aspekte eines Kaufvertrags berücksichtigt werden, um mögliche juristische Probleme im Nachhinein zu lösen. Hierzu gehört auch die Prüfung des Kaufgegenstandes selbst. Der tatsächliche Umfang und Zuschnitt eines bestimmten Flurstücks lässt sich beispielsweise online im Liegenschaftskataster nachvollziehen und abgleichen – in aller Regel sogar kostenlos.

Gerne begleiten wir Sie rechtlich bei der Planung und Durchführung Ihrer Grundstückstransaktion.

Die eingangs zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist im Volltext hier kostenlos abrufbar. Der Autor dankt Herrn Rechtsreferendar Christian Droste für die Mitarbeit.

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Christian Pietsch, LL.M. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht pietsch@knauthe.com
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