BVerfG: Der Mietendeckel ist verfassungswidrig – Was folgt daraus für Mieter und Vermieter?

Mit Beschluss vom 25. März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin („Mietendeckel“) gegen das Grundgesetz verstößt und daher von Anfang an nichtig ist.

Die Entscheidung in Kürze

Das BVerfG begründet seine Entscheidung mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin. Die Gesetzgebungskompetenz für ein solches Gesetz liegt vielmehr beim Bund: Denn der Bund hat von seiner Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerliche Recht Gebrauch gemacht und das Mietpreisrecht für preisfreien Wohnraum in den §§ 556 bis 561 BGB abschließend geregelt. Für ein paralleles Mietpreisrecht auf Landesebene, wie es der Mietendeckel vorsieht, ist kein Raum. Andere Gesetzgebungskompetenzen, auf die sich das Land Berlin gestützt hat, sind nicht einschlägig.

Das Gesetz ist daher bereits aus formellen Gründen verfassungswidrig. Auf eine materielle Prüfung der einzelnen Vorschriften des Mietendeckels und ihrer Verhältnismäßigkeit kam es somit gar nicht mehr an.

Anlass waren ein von 284 Abgeordneten des Bundestages der Fraktionen CDU/CSU und FDP geführter Normenkontrollantrag sowie zwei Vorlagen von Berliner Fachgerichten.

Die Entscheidung der Verfassungsrichter erfolgte einstimmig.

Anmerkung

Die Entscheidung kommt nicht überraschend: Die weit überwiegende Anzahl der Juristen hielt den Mietendeckel bereits vor seinem Inkrafttreten für offenkundig verfassungswidrig. Auch KNAUTHE hat von Beginn an erhebliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin geäußert. Schon rein handwerklich bot das Gesetz an zahlreichen Stellen Anlass zur Kritik. Wir haben daher in unserer mietrechtlichen Beratung stets empfohlen, sich auf die drohende Verfasssungswidrigkeit des Mietendeckels vorzubereiten und entsprechende Gestaltungen zu wählen, um gravierende Nachteile zu vermeiden.

Mit der Entscheidung kehrt zumindest etwas mehr Rechtssicherheit auf dem Berliner Wohnungsmarkt ein, nachdem der Mietendeckel sowohl bei Mietern als auch Vermietern große Verunsicherung geschaffen hat.

Jetzt wird man sich allerdings mit den Folgen der Nichtigkeit des Mietendeckels beschäftigen müssen.

Folgen der Nichtigkeit für das Mietverhältnis

Die Entscheidung des BVerfG wird sich auf zahlreiche Mietverhältnisse in Berlin auswirken. Vermieter werden aufatmen, Mieter werden teilweise böse Überraschungen erleben.

Das System der sog. „Schattenmieten“ setzt jetzt ein: Vermieter, die bei Abschluss neuer Mietverträge im Geltungszeitraum des Mietendeckels eine zweite Miete für den Fall vereinbart haben, dass der Mietendeckel kippt, werden nun Nachforderungen für die Vergangenheit geltend machen.

Viel gravierender: Wenn die Summe der Nachforderungen einen Betrag in Höhe von zwei Monatsmieten übersteigen sollte, kann dies den Vermieter sogar dazu berechtigen, das Mietverhältnis außerordentlich fristlos zu kündigen. Mieter könnten sogar ihre Wohnung verlieren. Um erhebliche Nachteile durch eine fristlose Kündigung des Vermieters zu vermeiden, sollten Mieter, die in den nächsten Tagen mit Nachforderungen ihrer Vermieter konfrontiert werden, genau prüfen, ob diese Nachforderungen begründet sind. Möglich ist auch, dass ein Vermieter eine Nachforderung im Wege einer Zahlungsklage gerichtlich durchsetzt.

Wir hatten Mietern aufgrund dieses Risikos empfohlen, mit der „gesparten“ Miete eine Rücklage für den Fall einer solchen Nachforderung zu bilden. Viele Vermieter haben ihre Mieter auf die drohende Verfassungswidrigkeit des Mietendeckels und die Möglichkeit der Nachforderung hingewiesen. In dem Fall wird sich der Mieter auch nicht darauf berufen können, dass er mit einer Nachforderung nicht rechnen musste, weil er auf die Wirksamkeit des Mietendeckels vertraut hat.

Mieter, die eigenmächtig unter Berufung auf den Mietendeckel ihre Mietzahlung reduziert haben, werden die Differenz zur vertraglich vereinbarten Miete ausgleichen müssen. Denn für eine einseitige Kürzung der Miete gab es keine Grundlage. Es gilt also wieder das, worauf sich Mieter und Vermieter ursprünglich im Vertrag geeinigt hatten. Und zwar rückwirkend, da der Mietendeckel von Anfang an nichtig ist.

Die Widersprüche, die sich zu den Regelungen des Mietrechts im BGB ergeben haben (insbesondere auch zur sog. Mietpreisbremse des Bundes) werden jetzt aufgelöst. Mietstaffeln und Indexvereinbarungen greifen wieder. Vermieter, die modernisieren wollen, können wieder mit einer Modernisierungsumlage von mehr als bloß 1,00 EUR rechnen.

Etwaige Bußgelder oder sonstige Bescheide, die wegen Verstoßes gegen den Mietendeckel erlassen worden sind (z.B. auch wegen Verletzung der Informationspflichten), sind hinfällig. Der Berliner Mietendeckel ist jetzt vom Tisch. Unmittelbar nach Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG wurde gefordert, dass ein solches Gesetz dann eben auf Bundesebene geschaffen werden müsste.  Es ist zu erwarten, dass der „Bundes-Mietendeckel“ ein wichtiges Wahlkampfthema wird.

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Christian Pietsch, LL.M. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht pietsch@knauthe.com
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