Kein Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B durch Übergabe eines geänderten Bauzeitenplans

Entgegen der bisher gängigen Praxis bei Bauzeitverzögerungen hat der Bundesgerichtshof (nachfolgend „BGH“) in einem aktuellen Urteil vom 19.09.2024 entschieden, dass die Übersendung angepasster Bauablaufpläne keine preisändernde Bauanordnung des Auftraggebers darstelle. Es besteht damit für Auftragnehmer keine Möglichkeit mehr, einen Mehrvergütungsanspruch wegen einem geänderten Bauzeitplan über § 2 Abs. 5 VOB/B herzuleiten.

Die seit jeher komplizierte Handhabung von Ansprüchen wegen einer Bauzeitverzögerung wurde damit durch das Urteil des BGH weiter erschwert. Sowohl für Auftraggeber als auch für Auftragnehmer ist daher besondere Vorsicht geboten, sobald sich bei einem Bauvorhaben Verzögerungen abzeichnen.

1. Sachverhalt

In dem vom BGH entschiedenen Fall war ein Auftragnehmer mit Bauleistungen des Gewerks „Starkstromanlage“ beauftragt. In der Ausschreibung war ein Baubeginn im Juni 2018 vorgesehen. Die Fertigstellung sollte bis Januar 2019 erfolgen. Erst nach einer Behinderungsanzeige des Auftragnehmers im Juli 2018 übersandte der Auftraggeber die Ausführungsplanung, sodass der Auftragnehmer im August mit der Leistungsausführung beginnen konnte.

Noch im selben Monat übergab der Auftraggeber einen Bauablaufplan, wonach der Auftragnehmer die Leistungen in Teilbereichen erbringen sollte. Wesentliche Leistungen sollten dabei erst im Jahre 2019 erbracht werden. Die Abnahme war für September 2019 geplant.

Der Auftraggeber übermittelte im Januar 2019 einen korrigierten Bauablaufplan für die weitere Bauausführung. Dieser sah eine Abnahme im Oktober 2019 vor.

Die Abnahme erfolgte schlussendlich im November 2019. Mit der Schlussrechnung verlangte der Auftragnehmer Mehrkosten für Personal und Baucontainer wegen der Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne ab dem Jahr 2019. Seine entsprechende Klage wurde sowohl vom Land- als auch vom Oberlandesgericht abgewiesen.

2. Entscheidung

Auch der BGH hat den geltend gemachten Vergütungsanspruch für die Baustillstandskosten abgelehnt. Der BGH urteilte, dass die Übergabe des geänderten Bauzeitplans keine einseitige Anordnung des Auftraggebers zur Änderung des Bauentwurfs im Sinne des § 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B darstelle.

Die Regelung setzt eine Änderung des Bauentwurfs oder eine andere Anordnung des Auftraggebers voraus, durch die die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert wird. Durch Auslegung sei zu ermitteln, ob das Verhalten – vorliegend die Übergabe eines korrigierten Bauablaufplans – eine Anordnung in diesem Sinne darstellt.

Im zu entscheidenden Fall lag eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, welche zu einer Bauzeitverzögerung führte. Teilt der Auftraggeber den Behinderungstatbestand und die daraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, habe er keine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben. Gleiches gelte für die Übermittlung geänderter Bauablaufpläne. Der Auftraggeber habe lediglich auf die behinderungsbedingte Störung des Vertrages reagiert und bestätigt, was durch die Behinderung ohnehin gegeben sei. Er sei damit seiner Koordinierungsaufgabe nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B nachgekommen, ohne eine rechtsgeschäftliche Änderungsanordnung abzugeben.

3. Praxishinweis

Obwohl die Übergabe eines geänderten Bauzeitplans zu keiner Preisänderung in Form einer einseitigen Anordnung nach § 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B führt, ist eine Vergütung von Baustillstandskosten nicht ausgeschlossen. Jedoch bestehen jeweils gesteigerte Anforderungen an den Anspruch:

3.1 Schadensersatzanspruch über § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B

Möglich ist die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs über § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B. Dafür ist erforderlich, dass eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung des Auftraggebers vorliegt. Der Auftragnehmer muss durch diese Pflichtverletzung des Auftraggebers behindert worden sein. Dazu muss der Auftragnehmer substantiiert zu den entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Der bloße Vortrag einer Pflichtverletzung reicht folglich nicht.

3.2 Entschädigungsanspruch nach § 6 Abs. 6 S. 2VOB/B i.V.m. § 642 BGB

Für einen Entschädigungsanspruch nach § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B i.V.m. § 642 BGB müsste der Auftragnehmer darlegen, dass sich der Auftraggeber ihm obliegende Mitwirkungshandlungen unterlassen und sich dadurch im Annahmeverzug befunden hat. Er muss zudem darlegen, inwieweit er während der Dauer des Annahmeverzugs Leistungen nicht zu der nach dem Vertrag vorgesehenen Zeit ausführen konnte und deshalb die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung (Personal, Geräte und Kapital), vergeblich bereitgehalten hat.

3.3 Handlungsvorschlag

Die vorbezeichneten Ansprüche bestehen nur unter sehr strengen, vom Auftragnehmer nachzuweisenden Voraussetzungen. Die Geltendmachung von Baustillstandskosten wurde folglich erschwert, ist aber weiterhin möglich.

Sollte eine Übergabe eines geänderten Bauzeitenplans aufgrund einer behinderungsbedingten Störung des Vertrags erforderlich werden, sollten Auftraggeber klarstellend auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hinweisen und einen Anspruch auf Vergütung von Baustillstandskosten ausdrücklich ausschließen.

Auftragnehmer sollten im Falle einer Verzögerung keinesfalls untätig bleiben, da ein Zuwarten die Geltendmachung von Baustillstandkosten unnötig erschwert. Zur Vermeidung zukünftiger Rechtsstreitigkeiten und dem Risiko eines Anspruchsverlusts besteht unmittelbarer Handlungsbedarf.

Wenn sich eine Bauzeitverzögerung abzeichnet, sollten Auftragnehmer sich daher bemühen, mit dem Auftraggeber eine Vereinbarung bezüglich der Vergütung von Baustillstandskosten zu treffen. Gegebenenfalls kann sogar die Aussprache einer Kündigung des Vertrags gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B angedroht werden.

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