Modernisierung des Zivilverfahrens bei Wirtschaftsstreitigkeiten – zum aktuellen Referentenentwurf zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit

Dass Gerichtsverfahren bisweilen langwierig und mühselig sein können, dürfte vielen Unternehmern und Führungskräften aus erster Hand bekannt sein. Gerade bei großen Wirtschaftsstreitigkeiten wird ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten in Deutschland seitens der beteiligten Akteure aufgrund des hiermit verbundenen Zeit- und Ressourcenaufwandes vielfach als impraktikabel eingestuft. In der Folge werden solche Streitigkeiten vermehrt in anderen Rechtsordnungen oder innerhalb der privaten Schiedsgerichtsbarkeit geführt.

Hier setzt der im April 2023 vorgelegte Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz an. Durch die Schaffung neuer, zeitgemäßer Verfahrensmöglichkeiten sollen die Bedürfnisse der Wirtschaft besser berücksichtigt und eine schnellere und effizientere Bearbeitung von Wirtschaftsstreitigkeiten ermöglicht werden. Die Neuerungen weisen deutliche Parallelen zu den Grundsätzen auf, die in privaten Schiedsverfahren Anwendung finden.

Schaffung besonderer Wirtschaftskammern an den Oberlandesgerichten

Ein zentraler Bestandteil des Entwurfs ist die Einführung von spezialisierten Wirtschaftssenaten bei den Oberlandesgerichten, den sog. Commercial Courts. Diese sollen in erster Instanz für Wirtschaftsstreitigkeiten mit einem Streitwert von über einer Million Euro zuständig sein.

Die Commercial Courts sollen mit Richterinnen und Richtern besetzt sein, die die bestmögliche Fachkompetenz in Bezug auf wirtschaftsrechtliche Auseinandersetzungen mitbringen. Aus diesem Grund sollen die Commercial Courts auch bei den Oberlandesgerichten angesiedelt sein. Die dort tätigen Richterinnen und Richter verfügen im Regelfall über eine längere Berufserfahrung und weitreichendere Spezialkenntnisse. Darüber hinaus ermöglichen die personellen Ressourcen an den Oberlandesgerichten eine verstärkte Fokussierung auf das einzelne Verfahren.

Effizientere Verfahrensführung

Zudem sollen die Regelungen der Zivilprozessordnung für das Verfahren vor den Commercial Courts modifiziert werden, um eine schnellere und effizientere Verfahrensabwicklung zu ermöglichen.

Vorgesehen ist, dass unmittelbar zu Beginn des Verfahrens ein Organisationstermin stattfindet, um den Sach- und Streitstoff zu ordnen und abzuschichten. Dieser soll auch per Telefon- oder Videokonferenz abgehalten werden können. In gemeinsamer Abstimmung mit allen Beteiligten soll ein Verfahrensfahrplan festgelegt werden, um zeitliche Verzögerung aufgrund von Terminverlegungsanträgen zu vermeiden.

Auf Wunsch der Parteien kann während der mündlichen Verhandlung ein zeitgleich mitlesbares Wortprotokoll geführt werden, was ebenfalls einer strafferen Verhandlungsführung dient.

Zudem ist ein abgeflachter Instanzenzug vorgesehen. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Commercial Court soll in allen Fällen unmittelbar die Revision zum Bundesgerichtshof zulässig sein.

Englisch als Gerichtssprache

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Gesetzesentwurfs ist die Nutzung der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit. Dies betrifft nicht nur die Commercial Courts, bei denen die Parteien sich gemeinsam darauf verständigen können, das Verfahren in englischer Sprache zu führen. Auch an den Landgerichten sollen englischsprachige Kammern eingerichtet werden (sog. Commercial Chambers).

Insbesondere im internationalen Geschäftsverkehr ist Englisch oft die vorherrschende Sprache. Durch die Möglichkeit, vor deutschen Gerichten in englischer Sprache zu verhandeln und englischsprachige Dokumente – ohne vorherige kostspielige Übersetzung – einzureichen, wird der Prozess für die beteiligten Akteure deutlich erleichtert.

Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Zudem sollen zukünftig in allen zivilgerichtlichen Verfahren unter erweiterter Anwendung der prozessualen Schutzregelungen des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes in bestimmten Fällen sowohl das schriftliche als auch das mündliche Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden können. Die Attraktivität privater Schiedsverfahren ist zu einem großen Teil gerade darauf zurückzuführen, dass dort der Grundsatz der Vertraulichkeit gilt.

Fazit

Die geplanten Neuerungen zeigen einen klaren Willen, das Justizsystem auf die Bedürfnisse der Wirtschaft anzupassen und mit internationalen Standards im Umgang mit Wirtschaftsstreitigkeiten Schritt zu halten.

Dies dient letztlich nicht nur dem einzelnen Rechtssuchenden. Wenn wie bisher ein Großteil der Wirtschaftsstreitigkeiten – wie etwa im Bereich der Unternehmenstransaktionen – vor den privaten Schiedsgerichten ausgetragen wird, ist auch die Herausbildung einer klaren Rechtsprechung zu streitigen Fragen sowie eine Rechtsfortbildung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht mehr möglich.

Den Referentenentwurf können Sie hier einsehen.

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Leonie Schuler Rechtsanwältin schuler@knauthe.com
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